Der Hauserngeist

Hausernhof

Die männlichen Erben waren vorzeitig gestorben, so fiel der Hausernhof an die Tochter. Diese war aber noch ledig, daher war ihr ein „Bestandsmann“ (Verwalter) zur Seite gegeben. Weil neben der Landwirtschaft auch noch für andere Leute gefuhrwerkt wurde (Frächterei), war viel Gesinde auf dem Hof. Der Verwalter aber nahm die Aufsicht über die Dienstboten nicht besonders streng und war öfters abends nicht zu Hause, darum herrschte manchmal ein lockeres Treiben. Einmal ging es wieder besonders hoch her. Da wurde um Mitternacht plötzlich von der Kammer gegenüber der Stube, in der ein Bett stand und verschiedenes Werkzeug untergebracht war, von Geisterhand die Tür aufgerissen. Ein eisiger Wind löschte die Kerzen aus. Gleich darauf flogen unter großem Lärm Betttücher, Polster, Decken und Werkzeuge auf den Gang. Sogar gegenüber beim Plankenhof war der Spektakel noch zu hören. Der Geist trieb immer dann sein Unwesen, wenn der Bestandsmann nicht zu Hause war.

Eines nachts blieb eine Magd noch in der Stube bei ihrer Handarbeit sitzen. Alle anderen waren schon schlafen gegangen. Sie sagte, sie wolle auf den Geist warten und ihn, wenn er wieder zu lärmen beginnt, mit dem alten Geisterspruch: „Alle guten Geister sagt mir Euer Begehr“ ansprechen und ihn so erlösen. In Wahrheit aber wartete sie auf ihren Liebhaber, der Knecht beim Plankenhof war. Als die Uhr vom nahen Kirchturm die Mitternacht schlug, ging beim letzten Glockenschlag ein Lärm wie noch nie zuvor los. Ein eisiger Wind blies wieder die Kerze aus, ein Kumet, ein Beil und Bettzeug flogen in die Stube. Und noch ehe die Magd ihren Zauberspruch sagen konnte, spürte sie eine eiskalte Hand im Genick, die sie zu Boden drückte. Der Knecht hörte beim Planken das Getöse und lief nachsehen, was los sei. Als er das Licht angezündet hatte, sah er die Magd ohnmächtig auf dem Boden liegen. Als sie wieder bei sich war, erzählte sie ihm von ihrem Erlebnis mit dem Hauserngeist. Sie erholte sich aber von dieser Geisterbeschwörung nicht mehr richtig und starb bald darauf. 


Der Knecht kam dann zum Kandler. Die Kandlerbäuerin, Maria Abfalter, konnte sich noch gut an ihn erinnern und wie er die Geschichte von der eiskalten Hand und der armen Magd oft an den langen Winterabenden erzählt hat.

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03.03.2022